Schon mehrfach wurde der Lebensversicherung ihr Ende vorhergesagt, sei es mit der Deregulierung im Jahr 1994, dem Ende der steuerlichen Begünstigung 2005 oder der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre oder eher Jahrzehnte.
Hat die Lebensversicherung noch eine Zukunft und wie sieht diese aus? Welche Trends prägen in Zukunft auch die Lebensversicherung? Und welche (neuen) profitablen Geschäftsmodelle ergeben sich für Versicherer?
Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Studie „Geschäftsmodell Lebensversicherung 2025-2030 – Eine europäische Perspektive“. Sie richtet sich vor allem an Menschen, die sich mit der strategischen Ausrichtung ihrer Lebensversicherungsgesellschaft beschäftigen und einen Blick auf die Zukunft der Lebensversicherung in den kommenden fünf bis zehn Jahren werfen möchten.
Die Branche wird durch verschiedene neue Herausforderungen getrieben: Politische, wirtschaftliche, ökologische und technologische Faktoren erfordern von den Versicherern, ihre Produkte und Geschäftsmodelle anzupassen, zu digitalisieren und zu modernisieren. Welche Einflüsse das sind und welche Auswirkungen diese haben, wird in der Studie detailliert herausgearbeitet.
Zum zweiten Mal seit 1997 hat die DAV 2021 eine neue Tafel für die BU-Versicherung vorgelegt. Seitdem ist die Wahrscheinlichkeit, berufsunfähig zu werden, vor allem für Versicherte ab einem Alter von 40 Jahren, deutlich um etwa 40 Prozent gesunken. Aufgrund des Anstieges von psychischen Erkrankungen, weisen Frauen bis 40 Jahre ein höheres Berufsunfähigkeitsrisiko auf. Es bleibt jedoch bei der Feststellung, dass rechnerisch jeder vierte Arbeitnehmende in Deutschland mindestens einmal berufsunfähig wird. Berufsunfähige kehren jedoch heute schneller wieder in den Beruf zurück.1 Das herausfordernde Geschäft mit Altersvorsorgeprodukten könnte Versicherer zukünftig dazu veranlassen, sich schwerpunktmäßig dem Biometriegeschäft zuzuwenden, da hier Marktpotenzialgegeben ist.
1 Deutsche Rück (2021): Alles neu in der BU-Versicherung? https://www.deutscherueck.de/fileadmin/user_upload/DFM_neue_BU_Tafel.pdf (abgerufen am 24.01.2022)
Eigene Darstellung nach Deutsche Aktuarsvereinigung e.V. (2021). https://aktuar.de/Dateien_extern/DAV/Pressemappen/2021_07_08_DAV_Foliensatz_BU_final.pdf
Eine Studie von Oliver Wyman, die anhand zweier Grundszenarien die Konsequenzen für typisierte Lebensversicherer darstellte, ergab, dass Modellversicherer mit vorrangig Unit-Linked oder Biometrieprodukten deutlich besser dastehen. Im Fall fondsgebundener Produkte kann ein Großteil der Marktrisiken an den Versicherungsnehmer weitergegeben werden und das Biometrieportfolio mittels der in den Produkten eingepreisten Margen die ökonomischen Eigenmittelstärken.1 Seit Jahren stagniert der Vertrieb von BU-Versicherungen auf relativ niedrigem Niveau. Das Marktpotential für das Biometriegeschäft ist jedoch gegeben und Versicherer könnten sich in Zukunft schwerpunktmäßig darauf konzentrieren. Auch die Sorge vor möglichen Langzeitfolgen von Covid-19 könnte das Interesse für biometrische Produkte erhöhen. Die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners geht davon aus, dass Versicherer in der Biometrie um 150 Prozent wachsen könnten.2
1 Oliver Wyman (2020): Die 50-Milliarden-Euro-Lücke. https://www.oliverwyman.de/content/dam/oliver-wyman/v2-de/publications/2020/Oliver_Wyman_Die_50_Milliarden_Euro_L%C3%BCcke.pdf (abgerufen am 13.01.2021)
2 vb online (2021): https://www.versicherungsbetriebe.de/business/2021/-mit-biometrie-durch-die-krise-.html (abgerufen am 13.01.2021)
Eigene Darstellung nach VuMA und Statista (2021)
Welche Auswirkungen können in welche Geschäftsmodelle münden? Das Geschäftsmodell des Zielgruppenversicherers resultiert unter anderem aus der Auswirkung des Fokus auf Biometrieprodukte.
Als Zielgruppenversicherer steht die Ausrichtung der Geschäftsprozesse an (möglichst großen) „Communities of Practice“ im Mittelpunkt. Dies beginnt bei der zielgruppenspezifischen, digitalen Ansprache der gewählten Kundengruppe und geht über die entsprechende Ausgestaltung der Produkte bis hin zum Aufbau einer Community zur Kundenbindung in dem jeweiligen Bereich. Hierbei ist es möglich, durch den Aufbau unterschiedlicher Marken verschiedene Zielgruppen zu adressieren.
Nach der Analyse von Treibern, Auswirkungen und möglichen Geschäftsmodellen werden in einem nächsten Schritt Produkte und Lösungen im Rahmen der jeweiligen Geschäftsmodellansätze vorgestellt. Mithilfe von qualitativen Interviews mit Expert:innen aus verschiedenen Ländern/Regionen Europas wurden ländertypische Eigenschaften herausgearbeitet sowie einzelne Geschäftsmodellansätze den Ländern/Regionen zugeordnet. Beispielhaft wird hier auf Frankreich eingegangen, da hier das Geschäftsmodell des Zielgruppenversicherers überwiegt.
Hier werden insbesondere Rentner:innen und Selbständige durch einen gewissen Teil der Produkte nicht angesprochen. Für diese Zielgruppe gibt es einen immer stärker wachsenden Markt an individuellen Produktlösungen. Weiterhin stehen von großen Gesellschaften vernachlässigte Nischen im Fokus von Wholesale-Brokern.
Abschließend wird der Fokus noch einmal auf die Aktuar:innen in Deutschland gelenkt. Mittels einer Online-Befragung wird ihre Meinung zu den wichtigsten Treibern und strategischen Anforderungen an die Lebensversicherung zu den zukünftigen Geschäftsmodellen und Produktkonzepten abgefragt. So werden die vorangegangenen, länderspezifischen Merkmale und Geschäftsmodelle noch einmal von einer anderen Perspektive intensiv beleuchtet.
Die befragten 61 Aktuar:innen, die mit einer Anzahl von 43 mehrheitlich aus Versicherungsunternehmen stammen, fokussieren sich insbesondere auf reine fondsgebundene Produkte im Vorsorgebereich und BU-Produkte im Bereich der Biometrie. Der Niedrigzins wird dabei als maßgeblicher Treiber angesehen, der neue Garantiemodelle beinahe erzwingt. Währenddessen treiben auch neue digitale Möglichkeiten die Produktentwicklung, stärkere Flexibilitäten in der Produktgestaltung werden die Folge sein.